2024-03-29 bis 31 Das Allgäu-Quartett und eine sonnige Ostergeschichte

Sahara-Wüstenstaub im Allgäu.

Das Tal, die Berge und sogar die Skigebiete sind eingehüllt in Wüstenstaub, der mit dem Föhn aus der Sahara hergeweht wurde.

 Der Föhn, der Schnee und der Paddler

Ostern lag sehr früh in diesem Jahr und der Trip stand lange auf der Kippe, weil wir fürchteten, kein Schmelzwasser abzubekommen. Da kam die Nachricht von einem starken warmen Föhn aus der Sahara, pünktlich zum Osterwochenende, ganz recht: Wir stellten uns vor, dass es so funktionieren würde wie mit dem Föhn beim Eisfach abtauen und in weiten Teilen ging der Plan auf. So spontan ließen sich allerdings nur vier WHWler auf das Abenteuer der großen Schmelzflut ein, sodass wir mit einer kleinen, agilen und gut eingespielten Gruppe die kurze Reise nach Sonthofen im Allgäu antraten.

 

Tag 1 am 29. März 2024 - Die Iller

Abschnitt: Illerursprung bis Sonthofen

  • Iller, 11km WW 1-2 (3+ am Kanonenrohr)
    • Ein auf Breitach, an Straßenbrücke B19 McDonald's Oberstdorf
    • Aus Picknickplatz nähe Gymnasium Sonthofen
  • Pegel Sonthofen 77cm, ca. 18m­3/s (NW)
  • 4 Paddler
  • 44 Vereins-km

Die erste Nacht war leider eiskalt geblieben und die von Rob prognostizierte große Flut blieb aus. Iller geht immer, also booteten wir bei McDonald's auf der Breitach ein und fuhren bis Sonthofen. Ein entspannter Trip inkl. Ritt durch's Kanonenrohr (davor wird mit mehreren Schildern gewarnt - genau wie vor einer anderen Stelle in Sonthofen, bei der genau gar nichts ist...), das sich Tobias gleich zwei Mal gönnte, während Simon seinen beim Schließen der Spritzdecke verletzten Daumen betrauerte. Ansonsten war in der Gegend nicht viel zu Paddeln, sodass wir den Nachmittag mit einer Wanderung bei T-Shirt Wetter entlang der oberen Breitach verbrachten, die allen Paddlern noch unbekannt war. Die ersten 2km von der Leidtobelbrücke bis Riezlern kann man auf einem wunderschön angelegten Wander- und Spielpfad scouten. Anschließend wurden lokale Salami und Kuchenspezialitäten gescoutet, bevor wir uns dem Bauhaus-Katarakt und seinen zahlreichen Bäumen widmeten. Weitere Kernstellen sind durch die Sperrung des Schlucht-Wanderwegs leider nicht gut zu Fuß erreichbar. Abends setzte Julia mit einem leckeren Spargel-Lachs-Risotto die kulinarische Messlatte gleich ganz nach oben.

Tag 2 am 30 März 2024 - Die Bregenzer Ache

Abschnitt: Mittlere Bregenzer Ache

  • Bregenzer Ache, 10km WW 2+ (3-4 an der Galerie und am Nadelöhr)
    • Ein am oberen Ende des Straßentunnels B200 vor Au
    • Aus an der Mündung des Bizauer Bachs
  • Pegel Mellau 20m­3/s
  • 4 Paddler
  • 40 Vereins-km

Julia wollte unbedingt rüber in den Bregenzerwald, wo das Wasser früher stieg als im Allgäu. Die mittlere Bregi lief, jedoch gab es hierzu nur sehr spärliche Informationen. Wir besichtigten bei der Anfahrt bereits den Schlitz am oberen Ende der Galerie zwischen Bezau und Mellau. Von oben erhält man einen guten Überblick über die Situation: Wasser strömt über einen schrägen Stein durch einen 2m breiten Kanal zwischen Stein und Wand. Zwischen dem Wasser, das vom Stein rinnt und dem, das von der Wand zurück kommt bildet sich ein hoher Pilz mitten in der Durchfahrt. Das dürfte bei jedem Wasserstand anders aussehen. Deutlich weniger klar war die Situation um die drei "Steinstufen", von denen in der River App die Rede war. Hier haben wir zwar von der B200 durch die Bäume erahnen können, dass da was ist, mussten aber darauf vertrauen, sie aus dem Boot scouten zu können.

Wir starteten oberhalb des Straßentunnels, wo man auf einem Schotterplatz gut parken konnte. Wer weiter oben einen Parkplatz findet (nicht zu weit: DKV spricht von Gefahrenstellen in Au), sollte so viele Meter wie möglich mitnehmen, weil der Bach hier schönes Gefälle und spaßig-milde Verblockung aufweist. Etwa 1.5km nach dem Einstieg dann die erste, niedrige Blockstufe - Wasser floss langsam, sodass man sie gut besichtigen konnte. Wir entschieden uns für eine Befahrung in der Mitte, die allen mehr oder weniger gut gelang. Es wird behauptet, dass Robs Kopf dem Wasser so nah kam wie zuletzt in Frankreich.  Die zweite Blockstufe wenige Meter weiter ist deutlich höher und macht sich mit einem leichten Rückstau und Getöse bemerkbar. Diese Stufe hat nach einer harkeligen Anfahrt einen hohen Drop (> 1m), der mit Stahlträgern gesäumt ist und stellenweise unsauber auf Steinen im Unterwasser landet. Erst bei Besichtigung von unten wurde das volle Ausmaß der Klemmgefahr sichtbar und wir entschieden uns dafür, die Stufe rechts zu umtragen, was gut ging. Die dritte Stufe nach einigen 100 Metern ist früh erkennbar, hat wenig Rückstau und ist in der Hauptlinie langgezogen, stark verblockt und mit einer gebrochenen Metallkante gesäumt. Links führt ein Kanal um die Stufe, doch war der Wasserstand an diesem Tag zu niedrig, um metallfrei in den Kanal zu rutschen. Wir umtrugen links und rechts (rechts einfacher). 

Julia am Schlitz auf der mittleren Bregi

Danach folgten mehrere km WW II, die sich ab der Ortsdurchfahrt von Mellau ein wenig steigerten. Eine im DKV Führer als nicht fahrbar und schlecht zu umtragen beschriebene Stufe hinter dem Pegel in Mellau konnten wir nicht finden. Hinter dem Pegel befand sich eine kleine Schwelle mit fast freier Durchfahrt zwischen ein paar Blöcken. Erst als die Galerie auftauchte, steigerten sich die Schwierigkeiten im letzten Schwall vor dem Pool auf WW 3. Vor lauter Nadelöhr im Kopf verkackte Rob die Anfahrt zum Pool und surfte fast wie geplant rückwärts durch die letzte Walze ins Kehrwasser. Tobias ließ nichts anbrennen und bezwang den Schlitz, bevor Julia und Rob es sich anders überlegen konnten. Wenn man den Stein mit genug Speed anschanzte, konnte man bei diesem Wasserstand ins Kehrwasser springen, ohne überhaupt durch den Pilz fahren zu müssen. Das ganze links umtragen war etwas mühsam auch möglich. Die Tour beendeten wir im Sahara-Sturm an der Mündung des Bizauer Bachs, bevor der Fluss über mehrere Stufen im Berg verschwindet und durch den Stollen in den Speichersee des KW Andelsbuch verschwindet. Von Andelsbuch geht das Wasser nicht etwa zurück in die Bregi, sondern in den Speichersee des KW Alberschwende, von wo es erst an der Weißachmündung wieder in den Fluss kommt. Dazwischen liegen etliche Kilometer, die mit 2m3 Restwasser auskommen müssen.

Ein insgesamt lohnender Flussabschnitt, wenn man von den Blockwehren am Anfang der Strecke absieht. 

Wir umschifften also den unschiffbaren Bereich der Bregi mit dem Auto und setzten zu einer Befahrung der unteren Bregenzer Ache von Doren nach Kennelbach an. 

Abschnitt: Untere Bregenzer Ache

  • Bregenzer Ache, 8km WW 2 (wer sucht, findet bei dem Pegel WW3+ Stellen)
    • Ein am Campingplatz ehemaliger Bahnhof Doren
    • Aus am Wehr in Kennelbach
  • Pegel Kennelbach 45m­3/s, stark ansteigend während der Fahrt
  • 4 Paddler
  • 32 Vereins-km

Zum ersten Mal mit mehr als Mindestwasser auf der unteren Bregi. Die Wassermenge schien im Verlauf der Fahrt deutlich anzusteigen (anfangs fühlte sich noch alles ganz gewohnt an) und betrug als wir den Pegel Kennelbach erreichten ca 45m­3/s, was an einigen Stellen Mittelwasser entsprach. Dadurch verlief die Fahrt deutlich flotter, doch die drei üblichen Spielstellen (Rotachmündung, zwei Schwallstellen mit großen Felsen danach) waren auch deutlich giftiger. Bei diesem Pegel floss an der Rotachmündung Wasser über die Kiesbank von der Bregi entgegen, sodass der sonst sehr saubere Schwall mit Kehrwasser zu einer sehr unruhigen, pilzigen Angelegenheit wurde. An der letzten Übungsstelle, bei der zwei Steine ein schönes Kehrwasser bilden, war nur noch ein Stein übrig, der Tobias zum Anschanzen einlud und zum Rollen zwang. Nach dem Bregi-Double gönnten wir uns ein leckeres Abendessen in einem Wirtshaus in Oberstaufen und kamen recht spät nach Hause. Um halb 11 waren alle im Bett, denn die Breitach stieg und die Zeitumstellung würde uns noch eine Stunde Schlaf kosten.

Tag 3 am 31. März 2024 - Breitach

Abschnitt: Obere Breitach

  • Breitach, 8km WW 3-4 
    • Ein an der Leidtobelbrücke
    • Aus links vor der Flussteilung vor Breitachklamm
  • Pegel Tiefenbach 11m­3/s (Mindestpegel)
  • 3 Paddler
  • 24 Vereins-km

Die Obere Breitach ist ein von unseren Veteranen hochgelobter Fluss, wenn man einmal von der Viecherei beim Raustragen absieht und man nicht hinter jeder Ecke listige Bäume vermuten müsste. Und nun ja, so war es. Bis zum Klärwerk Riezlern waren zwei Baumstellen zu umtragen, vor einer mussten wir etwas umständlich das Material am Seil über den Fluss traversieren, weil wir das letzte Kehrwasser auf der Seite zum Umtragen verpasst hatten (und das Wetter schön war und wir lange nicht mehr mit Seilen hantiert hatten).

Direkt unter der Hängebrücke bei der Einfahrt zum Bauhauskatarakt war ein weiterer Baum in einer schweren Stelle knapp über dem Wasser. Die Kombi aus beidem ließ uns den Baum umtragen. Der Rest des Katarakts (2 bekannte Bäume, beide unter-/umfahrbar) war bei dem Wasserstand purer Genuss auf WW3+. Wenn 11m3 an einer Stelle Probleme machen, dann am Fiesen Eck, welches aus mehreren von schmalen Felsrippen gebildeten Kanälen besteht. Bei diesem Wasserstand ragen die Felsrippen weit aus dem Wasser heraus und die Kanäle sind reichlich eng. Diese Stelle lässt sich aber sehr leicht rechts aber auch gut links umtragen, wenn man weiß, dass sie direkt hinter einer Rechtskurve nach dem Bauhauskatarakt lauert und rechtzeitig anhält.

Fahren oder tragen, hört man Julia fragen.

Keine 100m nach dem fiesen Eck liegen zwei sehr dicke Bäume V-förmig im Bach, versperren die Durchfahrt und laden weiteres Holz auf seiner Reise ein, dort stecken zu bleiben. Möglich, dass dort eine langlebige dicke Verklausung entstehen wird. Diese waren sehr spät zu sehen und dank des niedrigen Wasserstands konnten wir mit wenig Stress aussteigen und umtragen. Danach gab es keine Bäume mehr im Bach und Genusswildwasser im 3. Schwierigkeitsgrad folgte. Bis wir auf einmal vor einer Kante, gesäumt von zwei steilen Feldwänden, standen. Die Einfahrt der Schwende-Schlucht, ca. 1m hoch und nicht vom Boot einsehbar. Tobias kletterte die steile Felswand hoch, machte einen langen Hals und entschied sich, die Stufe mittig rechts zu nehmen. Dort war irgendwo ein Autoboof-Kicker verbaut, der alle drei Paddler sauber nach unten fliegen ließ.

Einfahrt in die Schwenden-SchluchtEinfahrt der Schwende-Schlucht

Die Schlucht selbst war bei dem Wasserstand großer Genuss. Eine etwas beeindruckende Blockpassage entpuppte sich als harmlos, weil ein völlig ruhiger Weg rechts vorbei führte. Bei viel Wasser könnte hier ein großes Loch stehen und man muss evtl. Slalom fahren. Danach kam irgendwann der Wanderweg wieder an den Fluss und Rob versuchte, picknickenden Zaungästen eine besonders schöne Linie zu servieren mit dem Ergebnis, dass er einen WW3+ Schwall rückwärts runterpolterte und die Picknicker stattdessen mit seinen Stütz- und Surfkünsten amüsierte.

Beim Waldhaus noch ein letztes Mal reingeschaut, beide Durchfahrten OK, links mit mehr Platz und mehr Loch. Kurze Zeit später war dann der Ausstieg erreicht - wir verließen noch vor der Insel den Fluss, weil der linke Arm mit einem großen Baum versperrt war.

Insgesamt haben wir 3.5 Stunden gebraucht, wovon wir knapp die Hälfte im Boot und die andere Hälfte mit Sichern, Tragen und Scouten verbracht hatten. Dafür gab es keine kritischen Situationen und genug Zeit, das Erlebte in Form eines Kinderliedes niederzuschreiben:

Es liegt ein Bi-Ba-Butzebaum in uns'rem Bach herum, fidebum.
Drüber geht nicht, drunter passt nicht, er peitscht uns Äste ins Gesicht.
Ich trag‘ mein Pi-Pa-Paddelboot viermal um Bäume rum, fidebum.

Es fliegt ein Ri-Ra-Rettungsseil über den Bach herum, fidebum.
Sie greift es nicht, sie fängt es nicht, sie kriegt den Beutel ins Gesicht,
Es schwimmt ein Bi-Ba-Blackjackboot allein im Bach herum, fidebum*.

Es lugt der Ri-Ro-Rexybert um jede Ecke rum, fidebum.
Der Schwendenstufe traut er nicht, über die Kante keine Sicht.
Doch um die Zwi-Zwo-Zwangspassage führt kein Weg herum, fidebum.

Es schallt ein F***-F***-Fluchewort durch die Klamm herum, fidebum.
Der Weg ist lang, die Treppen steil, das findet von uns keiner geil.
Das ist wie Soca-Abseilstreck‘, nur trägt man andersrum, fidebum.

 *Szene eines misslungenen Wiedereinstiegs dramatisiert ;-)

 

Abschnitt: Untere Breitach

Nun da die obere Breitach gerade so genug Wasser für eine Befahrung hatte, leuchtete die RiverApp grün für eine Befahrung des WW 2-3 Stücks unterhalb der Klamm auf. Tobias hatte genug, doch stattdessen leistete uns Simon, der sich während unserer Befahrung der oberen am Ausstieg sonnte, Gesellschaft. Bei einem Wasserstand von 12m3 bezeichnet die Angabe 2-3 allerhöchstens die Anzahl der Blockstufen, die uns überraschten ("sag Mal Julia, siehst du da vorne auch einen Horizont?!"). Auf der oberen noch extra vorsichtig gewesen, hatten wir irgendwie verpasst, für das kurze einfache Stück grundlegende Infos einzuholen. Zum Glück waren die Blockstufen treppenförmig und relativ bootsfreundlich angelegt, sodass diese ohne Schwierigkeiten befahren werden konnten. Die Strecke in der RiverApp geht übrigens vom Klammende bis Fischen (dann auf der Iller), was wir auch nicht auf dem Schirm hatten. Keine 30 Minuten später waren wir also beim McDonalds Ausstieg, lachten über unsere Dummheit und freuten uns auf ein kühles Feierabendgetränk zu Tobias Gnocchi mit lecker Grillgemüse und Käse.

    • Breitach, 4km WW 2 mit zwei Blocktreppen  
      • Ein kurz nach Klammparkplatz Tiefenbach
      • Aus vor der Brücke B19 / McDonalds Oberstdorf (rechtes Ufer)
    • Pegel Tiefenbach 12m­3/s (Mindestpegel)
    • 3 Paddler
    • 12 Vereins-km
    Das Allgäu-Quartett

Pünktlich zum Anfang der neuen Woche drehte der Föhn ab und wir bekamen 5°, Regen und heftigen kalten Wind. Die Lutz hatte zwar gut Wasser und ist eine unserer liebsten Entdeckungen, doch hatten wir genug Bäume gesehen und wer weiß wie es da oben nach dem stürmischen Wochenende ausgesehen hätte. So traten wir nach einem gemütlichen Frühstück die Heimreise an und haben zu viert immerhin 152 Wildwasserkilometer bezwungen.